Die Arbeitsgemeinschaft Gewerblich-Technische Wissenschaften und ihre Didaktiken (gtw) in der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e. V. hat sich im Rahmen der 20. gtw-Herbstkonferenz 2018 an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg mit dem Themenkomplex „Digitalisierung – Fachkräftesicherung – Lehrerbildung“ auseinandergesetzt und einen Schwerpunkt auf Antworten aus dem Bereich der gewerblich-technischen Didaktiken gelegt. Sie fasst ihre Einschätzungen in der folgenden Erklärung zusammen.
Didaktische Konzepte für die Herausforderungen der Digitalisierung
Vielfältige Initiativen und Programme zur Digitalisierung in der beruflichen Bildung sind auf Bundes- und Landesebene gestartet worden. Oftmals fokussieren die Programme einzig die technologische Ausstattung (unter den Schlagworten Industrie 4.0 oder digitale Medien) oder die Förderung der Infrastruktur (WLAN Verfügbarkeit, Tablets, …). Teilweise wird die Digitalisierung in der Aus- und Weiterbildung wie auch in der Lehrerbildung auf den Einsatz digitaler Medien bei der Gestaltung und Unterstützung von Lernprozessen reduziert. Herausforderungen für die Ausbildung resultieren allerdings meist aus sich wandelnden beruflichen Anforderungen in den digitalisierten bzw. automatisierten Arbeitswelten, für die die jeweiligen beruflichen Fachrichtungen geeignete Antworten geben müssen. Die durch die Digitalisierung induzierten arbeitsbezogenen Veränderungen unterscheiden sich massiv für die unterschiedlichen beruflichen Fachrichtungen. Dies führt dazu, dass konkrete didaktische Konzepte zur Förderung des ganzheitlichen Vorgehens in Prozesszusammenhängen weitgehend noch zu entwickeln sind und dass ein Denken in vernetzen Systemen derzeit noch immer die Ausnahme bildet. Die gtw fordert den Bund und die Länder dazu auf, Programme und Initiativen zur didaktischen Strukturierung und Umsetzung innovativen und auf die neuen Herausforderungen durch die Digitalisierung ausgerichteten Unterrichts für berufliche Schulen aufzulegen. Diese sind durch fachdidaktische Forschung in den beruflichen Fachrichtungen sowie wissenschaftliche Begleitung zu flankieren, um ein hohes Niveau in der gewerblich-technischen Berufsbildung sicherzustellen.
Forschung in den Didaktiken gewerblich-technischer Fachrichtungen
Die Konferenzen der gtw zeigen durch ihre Dokumentationen eine große Breite und hohe Qualität von Forschungs- und Entwicklungsprojekten sowie Untersuchungen zur Unterrichts- und Ausbildungspraxis in den gewerblich-technischen Fachrichtungen auf.
Durch die Nichtbesetzung einschlägiger fachdidaktischer Lehrstühle und die Bündelung beruflicher Fachrichtungen an den Universitäten und Hochschulen ist die spezifische, fachdidaktische Forschung und Lehre in Deutschland stark gefährdet. Die damit einhergehende Reduktion auf die Erforschung allgemeiner didaktischer Fragestellungen, auf kognitionspsychologische Grundlagen und Effekte sowie auf durch Technik induzierte Lernerfordernisse führt zunehmend zu Divergenzen zwischen dem Bildungsanspruch der Entwicklung beruflicher Kompetenzen und den Berufsbildungskonzepten. Berufliche Bildung in den einzelnen beruflichen Fachrichtungen ist auf eine domänenbezogene Forschung des Lernens und Handelns in den sich wandelnden Arbeitswelten angewiesen, um Antworten für das Lehren in Hochschulen wie Berufsbildungseinrichtungen geben zu können. Dies ist gerade durch die sich abzeichnende Entgrenzung der Berufsfelder von besonderer Bedeutung, um die Entwicklung komplexer Kompetenzprofile und die Weiterentwicklung von Berufen und berufsdidaktischen Konzepten zu ermöglichen.
Um zu einer Qualitätsentwicklung in der Lehrerbildung sowie der Aus- und Weiterbildung in der beruflichen Bildung an den Universitäten und Hochschulen beitragen zu können, muss eine wissenschaftsbasierte fachdidaktische Forschung und Lehre vorangetrieben werden, die den Besonderheiten der einzelnen beruflichen Fachrichtungen gerecht wird.
Seiteneinsteigermodelle der Lehrerbildung
Der anhaltende Lehrkräftemangel insbesondere für die Mangelfachrichtungen Metalltechnik, Elektrotechnik, Fahrzeugtechnik, Informationstechnik und Bautechnik führt weiterhin (vgl. die
Hannoveraner Erklärung 2016
der gtw) zu Sondermaßnahmen der einzelnen Bundesländer, bei denen eine Absicherung von Mindeststandards bei der Lehrerausbildung trotz entsprechender Vereinbarungen nicht immer sichergestellt werden kann.
Diese Seiteneinsteigermodelle genügen teilweise nicht den Standards der KMK einer wissenschaftlichen Ausbildung an einer Universität auf Masterniveau, da Universitäten und Hochschulen an den Lehrerbildungsprozessen mitunter nicht beteiligt sind.
Insbesondere in Seiteneinsteigermodellen muss die berufswissenschaftliche, fachdidaktische, berufspädagogische und bildungswissenschaftliche Perspektive auf Arbeit, Beruf und Technik verstärkt in den Fokus gerückt werden. Eine Aufklärung dieses mehrperspektivischen Zusammenhangs ist ohne den Einbezug gewerblich-technischer Didaktiken auf hohem wissenschaftlichen Niveau und damit ohne die Hochschulen nicht leistbar. Zusätzlich sollten diese Modelle, in die in der Regel Personen mit ingenieurwissenschaftlichem Hintergrund einmünden, zwingend praxisorientierte Arbeitsstudien umfassen.
Die gtw ist bereit, gemeinsam mit den Verantwortlichen in den Bundesländern und den involvierten Hochschulen entsprechende Lehrerbildungsmodelle weiterzuentwickeln und eine Umsetzung zu unterstützen, die den Qualitätsansprüchen heutiger Lehrkräftebildung genügen kann.
Dabei gilt es auch, heterogenen biografischen Zugangswegen und Lebensentwürfen der Studierenden Rechnung zu tragen und ggf. zielgerichtet Brückenveranstaltungen für Studierende mit beruflich qualifizierter Hochschulzugangsberechtigung einzurichten oder berufsbegleitende Studienangebote zu ermöglichen.
Die Sprecher der gtw
Magdeburg, 4.10.2018
Prof. Dr. Matthias Becker, Leibniz Universität Hannover
Prof. Dr. Martin Frenz, RWTH Aachen
Prof. Dr. Lars Windelband, PH Schwäbisch Gmünd